Wenn du nachts doch zum Süßigkeitenregal gehst - wie Scham entsteht
Ungefähr jeder Mensch, der in dieser Gesellschaft aufgewachsen ist, denkt, er oder sie sei in irgendeiner Form zu verbessern. Es ist ziemlich merkwürdig, wenn jemand sich nicht verbessern will - wahrscheinlich ein Zeichen von Einfältigkeit .
Wenn es nicht mindestens das Aussehen oder Gewicht ist, dann auf jeden Fall Verhaltensweisen und Eigenschaften wie Essattacken oder Faulheit, Angst vor Herausforderungen, Eifersucht oder Selbstsabotage.
Oder der Kontostand, die Beziehung, der Job oder die Familie.
Die meisten Menschen haben eine diffuse Idee im Kopf, wie sie sein sollten. Wie sie ein bisschen besser wären.
Ich will dir heute eine alternative Idee vorschlagen.
Du könntest, statt dich von hier WEG und AUS DIR RAUS zu wünschen,
das, was du ablehnst, erstmal richtig kennen lernen.
Immer wieder habe ich erfolgreiche High Achiever als KlientInnen, die einen Punkt im Leben erreichen, an dem sie merken, dass all die erreichten Ziele nicht die gewünschte Erfüllung gebracht haben, die sie erwartet haben.
Wenn die Motivation von Beginn an war, WEG von dem zu kommen, wie sie sind und wo sie waren, und woher sie kamen, ist Enttäuschung zu erwarten.
Alle Eigenschaften die du hast, jede Faulheit und Ignoranz, jedes emotionale Essen und jede Angst, haben eine Intelligenz in sich.
Wenn du versucht, dich zu disziplinieren, nicht mehr faul zu sein, nicht mehr so viel zu essen, nicht mehr so ängstlich, eifersüchtig zu sein, etc.. kannst du nicht gewinnen.
Das sind Teile von dir, die was zu sagen haben.
Und hinter dem von dir abgelehnten Verhalten steckt immer etwas, was gesehen werden will.
Die Kraft, die trotzdem Süßes ist, wenn du eine Diät machst. Die, die durch die Mails deiner Partnerin guckt. Die, die mit Absicht verschläft.
Was ist das für eine Energie in dir, die sich zeigt, wenn du manchmal verzweifelt zusammenbrichst?
Welche Kraft zeigt sich, wenn sich alles in dir gegen Vorschriften und Vereinbarungen sperrt? Was will die?
Welche Sanftheit, welches Wissen kommt hervor, wenn die Angst dich überwältigt?
Stell dir vor, du könntest Teile davon zulassen, indem du sie erst mal anguckst, statt sie weg-schieben zu wollen.
Es tut weh, dieses wegschieben wollen!
Nichts in Menschen will geändert werden, besonders wenn es der Kern ist.
Wenn der geändert werden soll, wird da immer eine unbewusste Kraft sein, die stärker ist.
Diese Kraft muss sich also zeigen dürfen.
Deshalb gibt es Coaching!
Ich verstehe das, obwohl ich den Job schon seit zwei Jahren mache, jetzt immer besser und tiefer.
Sich selbst zu coachen funktioniert zwar und kann viel Veränderung hervorbringen, aber die Anteile in uns, für die wie uns schämen, und die wir nicht mögen - die halten wir auch vor uns selbst zurück.
Um uns nicht mehr zu schämen, brauchen wir andere Menschen.
Denn Scham entsteht erst durch andere Menschen.
Scham in Bezug auf eine Eigenschaft oder Verhalten entsteht zuerst, weil du dich zeigst, wie du bist, und dann verurteilt dich jemand dafür.
Das passiert meist in einem jungen Alter, wo du noch mehr auf die Meinung und Orientierung anderer Menschen angewiesen bist.
Es kommt darauf an, wie etwas bezeugt wird.
Scham entsteht dadurch, dass dir jemand anderes (oder einen größere Entität wie eine Gesellschaft, Kultur) sagt, dass du falsch bist!
Scham ist also eigentlich kein Gefühl, sondern die Art, wie deine Eigenschaften und Verhaltensweisen oder Erlebnisse bezeugt werden.
Wenn ein Missbrauchsopfer sich an eine Person wendet, und ihr erzählt, was ihm widerfahren ist, und diese Person nicht unterstützend reagiert, entsteht Scham.
Und Scham kann im Coaching und in der Therapie geheilt werden. Dadurch, dass Coach oder Therapeutin diesem schambesetzten Thema oder dieser Eigenschaft gegenüber offen und wertschätzend gegenüber tritt statt verurteilend, und Raum gibt, dass sich gezeigt werden darf.
Immer ist es der Körper, der etwas über die Kraft verrät, die in ihm steckt und zurückgehalten wird.
Und ohne immer konkrete Ziele zu stecken, bemerken meine Klientinnen am Ende der Zusammenarbeit, dass die Dinge, für die sie sich vorher abgelehnt und verurteilt haben, zu Stärken geworden sind, die sie lernen, gern zu haben. (Und finden sich meistens nebenbei in höheren Positionen der Arbeit wieder und haben eigene Theaterstücke geschrieben)
Frage dich für die kommende Woche:
"Was ist mir passiert?"
statt
"Was ist falsch mit mir?
Vielleicht kannst du das in der kommenden Woche bei dir beobachten: Welche Eigenschaften von dir willst du anders haben? Wieso? Welche Angewohnheiten sind schambesetzt? Und wo sperrt es sich dann in dir, wenn du denkst, sie ändern zu müssen?