Authentizität - was ist das eigentlich und ist das immer gut?
SEI AUTHENTISCH! – aber wie?
Und: ist das wirklich so gut?
Was heißt Authentizität eigentlich?
Authentizität kommt aus dem Griechischen von authentikós, “echt” und „Echtheit im Sinne von Ursprünglichkeit“, laut Wikipedia.
Mir wird oft gesagt, ich sei authentisch und ich zeige mich in meinem Marketing authentisch.
Finde ich interessant, damit wird dann gemeint, ich zeige mich so, „wie ich bin“, „unverstellt“, oder sage Dinge, die andere nicht sagen.
Aber woher will die andere Person wissen, ob das auch stimmt? Ob ich mich wirklich so zeige, wie ich bin?
Denn mal Hand aufs Herz – ich verstelle mich ständig!
Wenn ich bei rot über die Ampel fahre und dann von der Polizei angehalten werde, werde ich mich garantiert verstellen, um eine mildere Strafe zu bekommen.
Wenn ich auf bestimmte Veranstaltungen gehe, male ich meine Augenbrauen grün, weil ich Bock drauf habe.
Bei anderen mache ich das nicht und möchte nicht auffallen.
Wenn ich mich gerade mit meinem Freund gestritten habe, und kurz darauf ein Coaching gebe, sage ich dann ab, weil es mir ja gerade nicht gut geht?
Nee, dann wische ich die Tränen weg, atme ein paar Mal und fokussiere mich auf die Arbeit.
Das ist dann professionell. Authentisch? Vielleicht nicht.
Aber in dem Moment ist mir meine Klientin wichtiger als mein Bubu.
Und? Wann bin ich jetzt authentisch? Etwa nie?
Stellst du dir auch manchmal die Frage:
Wann bin ich denn wirklich authentisch?
Weißt du, ich bin der Meinung, Authentizität kann man von zwei Seiten betrachten.
1. Was wir meinen, wenn wir andere für authentisch halten
2. Was wir meinen, wenn wir uns selbst für authentisch halten
1. Was wir meinen, wenn wir andere für authentisch halten
Authentisch nennen wir jemanden, wenn sich deren Verhalten mit dem deckt,
was wir erwarten.
Erik Schilling bringt in seinem Buch „Authentizität – die Karriere einer Sehnsucht“ das Beispiel des „authentisch“ italienischen Restaurants,
das eine Person authentisch nennen würde, weil es dort Pizza gibt, und sich das mit ihrer Erwartung von einem Restaurant deckt.
Eine andere Person würde ein anderes Restaurant authentisch italienisch nennen,
weil es dort gerade keine Pizza gibt
(weil Pizza ursprünglich nur in einer bestimmten Region Italiens hergestellt wurde).
In beiden Fällen hatte die jeweilige Person eine Vorstellung davon, wie etwas „authentisch“ sei,
und das wird dann erfüllt oder nicht.
Das gleiche gilt in Bezug auf Menschen.
Wenn du eine bestimmte Vorstellung von jemandem hast,
z.B. deine Freundin Lissy Palmer, die war schon immer aufbrausend und temperamentvoll,
und du triffst sie drei Jahre später mit einem neuen Freund völlig verändert wieder,
nun zahm wie ein Lämmchen
- Du wirst sie wahrscheinlich als „unauthentisch“ bezeichnen.
Und zwar weil sich DEINE Erwartung nicht damit deckt, wie du Lissy in Erinnerung hast.
In Wahrheit haben wir also keine Ahnung, wann etwas authentisch ist, und wann nicht.
Und wie ist das, wenn wir über uns selbst als authentisch oder unauthentisch sprechen?
2. Was wir meinen, wenn wir uns selbst für authentisch halten
Warum willst du überhaupt authentisch sein?
Wir sehnen uns alle danach, so angenommen zu werden wie wir sind.
Vermutlich geht es dir auch so.
In unserer heutigen Welt von Fake News, permanentem Input und Photoshop auf jedem Pommesbild in der Zeitung, ist es schwierig, zu unterscheiden, was echt ist und was nicht.
Deshalb diese Sehnsucht nach Authentizität, nach Unverstelltheit.
Natürlich verstellen wir uns trotzdem die ganze Zeit.
Anders wäre ein Zusammenleben in einer Gesellschaft nicht möglich.
Und solange wir das nicht tun, um anderen Menschen zu schaden, ist das auch ok!
Aber wie sehr zeigst du dich schon, ohne dich angestrengt zu verstellen?
Wahrscheinlich kennst du das Gefühl auch, dich zu verstellen, und es gar nicht zu wollen.
Ich zumindest mache das auch immer wieder.
Wenn ich auf Menschen treffe, die mich beeindrucken, die vielleicht schon dort sind, wo ich gerne wäre, oder wo ich früher gerne gewesen wäre, falle ich schnell in einen Mechanismus und will gemocht werden.
Werde ein bisschen schleimig und unkonkret, ein bisschen unauthentisch.
So wie ich es eigentlich nicht gern habe.
Und dann – merke ich es, und passe mein Verhalten einfach an.
Zeige mehr von dem, was ich gerne zeigen möchte, mich aber nicht immer traue und übe authentisch sein.
Ja, auch ich habe solche Momente manchmal, klar!
Dann bin ich freundlich mit mir und sage:
Du bist auf einem guten Weg! Und gratuliere mir.
Und genau das kann ich dir auch ins Herz hinein legen:
Deine eigene Authentizität ist
1. Entscheidungssache
- Wie will ich mich zeigen? Will ich alles von mir zeigen? Habe ich heute Lust, anders zu sein als sonst? Bin ich damit einverstanden, wie ich mich kenne oder will ich etwas anderes zu meiner „Authentizität“ machen?
Denn wie gesagt, du weißt nicht, wann ein Mensch “wirklich” authentisch ist. Du kannst es denken, glauben, aber wissen? Leider nicht.
Und das gibt dir Spielraum bei dir selbst. Was willst du zu deiner Authentizität machen?
Außerdem ist Authentizität
2. Übungssache
- Ja, es erfordert ein bisschen Mut, dich so zu zeigen, wie du bist.
In kleinem Rahmen.
Und es ist okay, das auch nicht immer zu tun. Dich manchmal klopsig zu verhalten.
Ich habe viele Jahre versucht, meine „Eigenartigkeit“ zu verstecken. Haha, und Überraschung:
Klappt eh nicht! DAS wirkt dann nämlich richtig weird und vor allem unauthentisch, weil Menschen eben merken, wenn du dich verstellst. Und du dich nicht verstecken kannst.
Was kannst du also tun, wenn du dich oft nicht so zeigst, wie du bist, obwohl du es gerne tätest?
3…
2…
1…
Ausprobieren!
Öfter sagen, was du denkst.
Ja, auch in ganz vertrautem Rahmen.
Vor wem hältst du manchmal etwas zurück, was du gerne aussprechen würdest?
Was ist dir vor dir selbst unangenehm?
Schreib es auf, sammle.
Wann trägst du High Heels, obwohl du lieber Springerstiefel tragen würdest?
Wann Hose, obwohl du den Minirock heißer fändest?
Wann schreibst du einen Song mit Reimen, obwohl du eigentlich Lust hättest, ohne Worte zu kreischen?
Wann nimmst du Aufträge an, die du stinklangweilig findest, weil du denkst, deine eigenen Ideen sind nicht gut genug?
Und wie oft hältst du dich zurück?
Wie oft findest du dich selbst langweilig?
Wann bist du bescheiden, obwohl du Bock auf Größenwahn hast???
Und dann probiere aus – was passiert, wenn du es einfach mal machst?
Wenn du einfach mal 10-
oder gleich - 30 Tage lang jeden Tag eine Sache machst,
die du dich sonst nicht traust, die du aber eigentlich gerne tun willst?
Starting today.
Blaue Augenbrauen auf dem Weg zur Bäckerin, ein Gedicht schreiben, das keinen Sinn ergibt, und es veröffentlichen, deiner Tante sagen, dass du keine Lust hast, zum Geburtstag zu kommen, und endlich den Kontakt mit dieser einen anstrengenden Freundin beenden.
Die Konsequenzen scheinen immer bedrohlicher als sie es wirklich sind.
Probier es aus!
Und dann berichte mir davon!
Ich mache 10 Tage mit und erzähle dann auf Instagram, was mir so einfällt.
Rivka Dette ist Künstlerin und Mentorin für radikale Selbstakzeptanz. Sie lebt und arbeitet in Berlin oder ist unterwegs.
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