Du bist schon gut genug und wirst niemals gut genug sein
Seit ich übe, mich daran zu erinnern, dass ich niemals gut genug sein werde,
fühle ich mich ein bisschen leichter.
Was „gut genug" ist, ist immer vom Kontext abhängig.
Ich möchte heute mit dir teilen, wie es in meinem Kopf aussieht, wenn ich mich für nicht gut genug halte, um dir Mut zu machen.
Denn wenn du hinschaust, und deinen destruktiven Gedanken wirklich einmal zuhörst, und sie einmal da sein dürfen, können sie sich verändern.
Die meisten von uns haben solche Angst vor der Wahrheit dieser Gedanken, dass sie NICHT hinhören, und versuchen, sie zu überdecken.
Aber diese Gedanken sind wichtig.
Wenn sie nicht angehört werden, bleiben sie blinde Flecke,
und wir führen unser Leben als Vermeidungsstrategie vor diesen Gedanken.
“Seeing is undoing”,
sagte ein Klient von mir neulich. Erst wenn du hinschaust, kannst du etwas auflösen.
Ich bemerke manchmal, wie ich in alte Muster falle, und zum Chamäleon werde,
je nachdem, mit wem ich zusammen bin.
Zum Beispiel in Gegenwart von Menschen,
deren Verhalten ich nicht gleich verstehe,
und von denen ich in dieser Unsicherheit gerne gemocht werden will,
dann habe ich manchmal das Gefühl, es ist leichter, mich zurückzuhalten als voll ich selbst zu sein.
Manchmal an solchen Tagen ertappe ich mich bei dem Versuch,
mich anzupassen.
Anzupassen, damit ich reinpasse, damit ich “gut genug” bin - eine Version von „gut genug".
Wenn ich mit Millionären in einem goldenen Restaurant abhänge, die mit ihren goldenen Eiern versuchen, zu beeindrucken, finde ich dieses Verhalten einerseits unnötig und ärgere mich vielleicht sogar darüber,
andererseits würde ich wohl die feine-Dame-Rivka herausholen,
aus Angst, verurteilt oder ausgeschlossen zu werden.
Wenn ich mit Punks an der Straßenecke abhänge, würde ich wohl meine Punk-StraßenRivka hervorholen, und auch zeigen, dass ich Dosenstechenmeisterin bin und reiche Schnösel schei<3e finde.
Diese Anpassungsstrategien können durchaus als Talent, mich in jemanden einzufühlen, gesehen werden,
allerdings ist der Antrieb die Angst, abgelehnt zu werden.
Wenn ich das merke, verurteile ich mich üblicherweise erstmal.
Weil ich denke, ich bin nicht einfach so, wie ich bin.
Weil ich merke, einfach nur da zu sein, ist „nicht gut genug".
Und „gut genug" ist gar nicht zu erreichen, denn je nach Kontext erzähle ich mir etwas anderes.
Wenn ich es diese Verurteilung bemerke, werde ich ein bisschen traurig,
und übe mich, Mitgefühl mit mir zu haben.
Vor Mitgefühl kommt fast immer Traurigkeit, und davor kommt meist Verurteilung.
Erst kommt das Merken, dann die Verurteilung, dann Traurigkeit, und dann Mitgefühl.
Mitgefühl ist notwendig, denn was dahinter spricht, ist nichts anderes als Angst.
Angst, nicht anerkannt zu werden,
Angst, nicht “gut genug” zu sein,
Angst, alleine zu bleiben,
oder „dass die anderen gemein zu mir sind."-sowas.
Wenn ich mich nicht immer wieder darin trainieren würde, traurig über die Selbstverurteilung zu sein, wäre Mitgefühl unmöglich.
Und ohne Selbst-mitgefühl ist es unmöglich,
mich gut genug zu finden.
Gut genug = zufrieden mit mir zu sein.
Und das wollte ich heute mit dir teilen.
Denn ich möchte auch dich ermutigen, ehrlich mit dir und mit anderen zu sein.
Also wirklich ehrlich.
Darin, was du denkst, und darin, wo du dir selbst versuchst, zu erzählen, es sei nicht so.
Solche Gedanken, wie ich eben mit dir geteilt habe, sind natürlich unangenehm zu teilen.
Auch ich atme tief durch, bevor ich mich dafür entscheide, ehrlich zu sein.
Doch es ist wichtig.
Wir kramen alle so dermaßen in unseren Köpfen herum,
und denken, wir wären allein mit unseren Selbstzweifeln.
Versuchen, sie zu vertuschen, spielen irgendwelche Rollen,
tun so, als wären wir dies oder das, oder identifizieren uns damit,
ganz unangepasst zu sein, und reden nur darüber.
Fühlen uns trotzdem unwohl.
Versuchen dann, Gründe für unser Unwohlsein zu finden,
und finden sie wieder meistens bei uns und verurteilen uns.
Wir lernen früh, zu denken, wir wären niemals gut genug.
Unsere Eltern haben das gleiche gelernt, geben es an uns weiter.
Unsere gesamte Gesellschaft ist auf diesem Konzept aufgebaut.
Wir lernen, immer mehr zu wollen, als wir haben, und fühlen uns konstant inadäquat.
Und sind so sehr damit beschäftigt, mehr zu wollen, dass wir ganz vergessen, was wir haben und was wir bereits sind.
Und das Tragische daran ist, dass wir die Kriterien für dieses „nicht gut genug Sein" meist in einem Alter abspeichern, in dem wir noch keine Ahnung haben,
warum und was das überhaupt heißen soll, oder es hinterfragen können.
Ich möchte dich ermutigen,
diese beiden Sichtweisen auszuprobieren:
1. Du wirst niemals “gut genug” sein.
Es ist ein Kampf gegen eine Mauer, du wirst diesen magischen Punkt niemals erreichen,
denn er beschreibt keinen Zustand, sondern ein Gefühl.
Ein unerfülltes Bedürfnis, ein Gefühl von Mangel, eine Sehnsucht.
Dieses Gefühl von Mangel lässt sich niemals stillen, indem du versuchst, „gut genug"
zu sein, oder Dinge zu tun, durch die du „gut genug" wärst.
Denn selbst wenn du den Abschluss, das Aussehen, den Partner, das Gewicht, die Familie, den Kontostand, den Erfolg, etc.,
den du als Voraussetzung fürs gut genug sein erreicht hast,
wird in dir ein Gefühl von Leere und Selbstbetrug bleiben.
Dahinter steckt so oft der Wunsch nach Entspannung, Glück, Lebensfreude.
Aber wenn du versuchst, dieses Glück durch Erfüllen von Kriterien zu erreichen,
die du nicht selbst gesetzt hast, kann dadurch kein Glück entstehen.
Denn wahre Entspannung, tiefes Glück, passiert, wenn du sein darfst, wie du bist.
Und die Erlaubnis dafür kannst nur du dir selbst geben.
Und das kann ab dem Moment passieren, ab dem du bemerkst, dass du es nicht tust.
2. Du bist gut genug, wenn du DU bist.
Einladung zur Reflektion dieser Fragen:
Was wäre “gut genug”?
Wie sehr entspricht dieses “gut” wirklich dem, wie DU bist?
Wenn du dir erlaubst, DU zu sein, ist es möglich, zu entspannen.
Ich erlebe immer wieder, dass ich mit anderen Menschen, Situationen,
am besten zurechtkomme,
wenn ich mich so lasse, wie ich bin.
Jedes Mal, wenn ich mich verstelle, werde ich angespannt, bin für mein Gegenüber verschlossen, und die anderen merken das natürlich auch unbewusst oder bewusst
- und es wird schrecklich kompliziert, Zeit miteinander zu verbringen.
Für dich und für andere.
Da es kein eindeutiges ‘Gut Genug’ gibt, ist gut genug
dort,
wo du bist.
Je mehr du übst und dich traust, du selbst zu sein, und Menschen auf diese neue Weise zu begegnen, desto weniger „gut genug" musst du sein, weil du so, wie du bist, bereits genug bist.
Du selbst zu sein ist der einzige Maßstab.
Alles andere ist Theorie. Und kann langfristig nicht glücklich machen.
Auch für andere ist es am einfachsten, damit umzugehen, wenn du du selbst bist.
Den meisten ist das nicht bewusst. Aber wenn jemand sich zeigt, wie er oder sie ist, können andere das auch tun, und besser miteinander umgehen.
Denn in Wahrheit haben wir alle wahnsinnig Schiss davor, uns so zu zeigen, wie wir sind, darin verletzt zu werden
- und wünschen uns doch nichts sehnlicher, als sein zu dürfen, wie wir sind.
Noch eine Sache möchte ich mit dir teilen:
So gut wie alle von uns haben diese Parameter, was gut genug oder nicht genug ist, und fast alle von uns sind viel zu streng mit sich selbst.
Je mehr du dir erlaubst, du selbst zu sein, desto leichter ist es, das Spiel und den Kampf anderer zu erkennen.
Und je mehr du dir erlaubst, einfach zu sein, wie du nunmal bist,
desto weniger wirst du andere dafür verurteilen,
wenn sie es nicht immer schaffen oder sich nicht trauen.
Je mitfühlender du mit dir selber bist, desto mehr geht das auch mit anderen,
weil du verstehst, wo sie vielleicht gerade stehen.
Je mehr Mitgefühl du mit dir hast, desto mehr kannst du auch mit anderen haben.
Und dann andere inspirieren, dadurch, dass du dich getraut hast.
Rivka Dette ist Künstlerin und zertifizierte Coachin.
Sie lebt und arbeitet in Berlin oder ist unterwegs.
Hier geht’s zum Selbstakzeptanz - Mentoring
Hier geht’s zum Künstlerin-Portfolio