Eine faule Socke lernt fliegen

Bestimmt kennst du das auch:

Du hast bestimmte Ziele. Träume. Traumvorstellungen. Wunschträume.

So etwas wie:
Mit 36 will ich mein erstes Kind.
Mit 40 will ich meine erste Million.
Mit zwei Koffern will ich in einem Jahr in Teneriffa ankommen.
Mit dem ganzen Stress als Selbstständige habe ich nicht gerechnet.


Und vielleicht erfüllen diese Wunschträume dich mit einer Mischung aus Freude gepaart mit Angst?

Vielleicht ist es ein bisschen etwas von der Angst, zu scheitern, doch woanders hinzukommen als du dachtest,
überfordert zu sein, blabla et cetera..

Darauf will ich heute nicht eingehen.

 

Ich möchte über die Angst sprechen, dass du dir das alles vielleicht toller vorgestellt hast als es ist.
(passend dazu nochmal der Blogeintrag über die Sehnsucht nach Freiheit)

Ich möchte aber auch nicht darüber sprechen, dass es vielleicht weniger toll ist, als du es dir vorgestellt hast,

sondern darüber,

wie du und viele Menschen denken, erfolgreich sein zu müssen.

Er- Folg. Fänd’s irgendwie cooler, wenn’s Sie-folg hieße, fällt mir gerade auf. Aber egal.


Wenn du eine geschäftige Person bist
(die du wahrscheinlich bist, wenn du in der gleichen Gesellschaft aufgewachsen bist wie ich),
denkst du bestimmt oft, dass du dich ‚zusammenreißen musst‘, um an dein Ziel zu kommen?

Dieses Ziel kann sowohl eine bestimmte Nummer auf deinem Konto sein, aber genau so Zeit für das, was dir Freude macht und deiner Kreativität auf den Grund zu gehen.

Wenn du irgendeine Art von Ziel hast (ich lasse es heute bewusst so leger, weil es nicht um das Ziel an sich geht), kennst du vielleicht deinen Umgang damit,
dort so schnell wie möglich ankommen zu wollen.
Klar, sagst du gerade, hab’s gehört.

Vielleicht kennst du Gedanken wie:

,,Wenn ich dorthin kommen will, und wenn es hart wird, muss ich die Zähne zusammenbeißen.”

Kennst du den Stress, dich durch manche Sachen einfach durchquälen zu wollen / zwingen?

Vielleicht würdest du jetzt sagen: „Nein, so krass ist es nicht“

- Vielleicht weil ich so starke Wörter wie „zwingen“ oder „quälen
– wirklich sehr unangenehme Wörter - benutzt habe, aber eigentlich ist das genau das, was du dir selbst immer mal wieder einflüsterst?


Falls ja, dann kann ich dich beruhigen, das hat nichts damit zu tun, dass du ein besonders grauenvoller oder doofer Mensch bist.


Wir lernen früh, gegen unseren Biorhythmus zu arbeiten,
aufzustehen, wenn wir müde sind,
zu essen, auch wenn wir vielleicht keinen Hunger haben,
leise zu sein, wenn wir singen wollen,
und zu singen, wenn wir gar nicht möchten.

 

Da kann man mitunter schon hart zu sich selber werden.


Oftmals sind die freisten Geister am strengsten mit sich selbst.

 

Die kreativsten Gemüter sind oft am meisten verunsichert, wenn es darum geht, sich in ‚die Arbeitswelt‘ einzugliedern. Sei es, als Angestellte oder als Einzelunternehmerin mit selbst gestaltetem Schmuck.

 

Ich beschreibe hier etwas, was ich sowohl bei mir als auch bei den Ungrezähmtesten meiner Vertrauten seit Jahren beobachte.

 

Wenn du früh lernst, dass du mit deinem Verhalten, deinen Ideen, deiner Neugier, aneckst und dafür verurteilt wirst,

und nicht verstehst, warum,

wirst du höchstwahrscheinlich die Schuld dafür bei dir selbst suchen.

 

Dein Kopfergebnis wird etwas sein wie: Ich sollte irgendetwas anders machen, aber auf jeden Fall sollte ich das, was aneckt, unter Kontrolle bringen oder ganz scharf beobachten-

 

Vielleicht entscheidest du dich aber auch dafür, deine Eigenart und dein Anecken mal ganz auszuleben und als deinen bunten Umhang stolz zu tragen.

 

Seht her, ich bin anders! Anders als ihr. Und ich bin stolz drauf!

 

Ich selbst habe mich in beiden Extremen immer wiederfinden können.

Sowohl in der Entscheidung, Dinge anders zu machen – als auch, mich dabei sehr zu beobachten, WIE ich es denn jetzt mache.

 

Was mir oft auffällt bei Kreativen, bei Buntseherinnen, uns Wilden, die sich gar nicht anpassen wollen :
Die Angst, mit dieser Art nirgendwo anzukommen, und der daraus resultierende Stress, bleiben.

Sehr häufig.


Und das ist auch verständlich. Denn woher soll man, wenn einem eine bestimmte Art zu leben vorgeschlafen, äh, -schlagen wird, wissen, dass der Weg,
den viel weniger Menschen gegangen sind, nicht unterwegs in eine Wildwasserbahn mündet und einen ins Verderben stürzt?

 

Viele zauberhafte talentierte Menschen wackeln also zwischen diesen beiden Pfaden her, und zwischen diesen konkurrierenden Überzeugungen.

„Ich kann es nicht allein“
„Ich sollte doch den Kellnerinjob annehmen, sonst kann ich ja nicht überleben“
„Meine Idee ist viel zu seltsam, um erfolgreich zu sein.“
„Es ist doch egoistisch, nur etwas zu tun, was mich glücklich macht.“

Vs.

„Ich weiß, dass die Ideen, die ich nachts habe, raus müssen.“

„Auf der Bühne habe ich das Gefühl, am Leben zu sein.“
„Was soll ich sonst machen!“
„Wenn ich mich jetzt anstellen lasse, habe ich keine Kraft mehr, kreativ zu sein…“

 

Da mir die KünstlerInnen die Nächsten sind, nehme ich euch hier als Beispiel.
Aber dieser Struggle lässt sich auf alle Menschen mit Ideen übertragen.

 

Und wenn diese beiden Extreme miteinander konkurrieren, was passiert dann häufig?

Nicht viel.

Leider.

 

Es entsteht ein Zustand der Apathie und Selbst-Zermarterung, der Selbstkasteiung und des Stresses.

Wenn wir uns nicht gönnen, zu tun,
was uns glücklich macht,
werden wir uns selbst sehr unglücklich.

 

So einfach es klingt, so tiefgreifend ist es.

Egal, was du tust, arbeitest, gestaltest.

Wenn du das was du tust, tust, um endlich irgendwo anzukommen
– irgendwo durchzukommen –

Wirst du dort (wie du es dir vorstellst) nicht ankommen.

 

Er-Folg = Sie-Folg wird heute oft mit Sieben-Tage-Woche verwechselt und ich kenne mehrere Leute, die sich selbstständig gemacht haben, um dann permanent im Stress zu sein oder zumindest keinen Tag einfach mal NICHT PRODUKTIV.

Ich falle in die Falle auch regelmäßig rein und muss es bemerken, und mich dann an meinem Haarschopf wieder herausziehen.
Lustigerweise habe ich mir mein Leben mittlerweile schon so gestaltet, dass ich ziemlich viel Zeit für mich selber habe, also, kein Vergleich zu fünf Jahren früher, als ich jeden Tag verabredet war und irgendetwas unternommen habe.

Mittlerweile, und das auch vor Corona schon, habe ich vielleicht eine oder zwei Verabredungen pro Woche. Und sonst verbringe ich sehr viel und gerne Zeit mit mir. Echt extrem gechillt, mein Leben mittlerweile. Im Vergleich zu früher.

Und nutze Zeit zum nichts tun. Davon erzähle ich ja immer wieder gerne.

Denn diese Produktivitätsfalle – dieses „Ich muss irgendetwas tun“ – die funktioniert nicht endlos.

Je mehr man versucht, nur aus dem zu schöpfen, was jetzt gerade da ist, desto mehr wird das verbraucht.

Man kann es sich wie Schlafmangel vorstellen.

Wenn du joggen gehst, tust du das ja auch eine Weile und lässt deinen Körper dann ruhen, einfach so, weil du weißt, er braucht es, weil der Körper dir klare Signale gibt, dass es nicht weiter geht,
und, weil du bereits eine Befriedigung für das Joggen bekommen hast. Ein gutes Körpergefühl. Wärme. Pulsierende Muskeln.

 

Wenn du das aber auf Aufgaben in deiner Kunst, deinem Business, deinem Alltag, überträgst,

fehlt häufig dieser Befriedigungseffekt. Und das fühlt sich scheiße an! –

Du tust etwas, quälst dich, hämmerst dich durch etwas Zu-Tu-nes durch,

und dann: kommt die Befriedigung nicht!

Wozu hast du das dann gemacht? – fragst du dich vielleicht und entspannst dich nicht mal ‘ne Runde, weil du denkst,
„Dann sollte ich wohl noch ein bisschen mehr machen“.
Natürlich passiert das meistens unbewusst.

Dann arbeitest (was auch immer genau das heißt für dich) du vielleicht mehr, um dann halt irgendwann ‘mal bei der Befriedigung, der Entspannung, der Freude, anzukommen.

Aber die kommt irgendwie nicht?

Seltsam, oder?

 

Na, dann ist das vielleicht interessant:
Diese Entspannung, diese Freude, die Befriedigung nach getaner Arbeit, die kommt nicht von alleine.
Die will trainiert werden, wie dein Körper beim Joggen.
Und zwar?

Durch Pausen. Und Feiern.

Feiern? Ja.

Also, wenn ich mal krass Sport gemacht habe, oder auch früher noch, als ich jeden Tag mehrere Stunden trainiert habe und dann am nächsten Tag kaum laufen konnte,

habe ich mich extrem geil gefühlt.

Ich wusste, dass mein Körper sich gerade regeneriert und hinterher stärker und fitter sein wird.

Ich wusste, dass ich mich jetzt ausruhen MUSS, damit das passiert.

Nicht ein bisschen dehnen, nicht ein bisschen laufen.

Die Tage nach krassen Trainingseinheiten, an denen ich dachte:
„48 Stunden brauchen diese Muskeln, um sich zu regenieren und erst dann sollte ich in der Intensität weiter trainieren“
- war es einfach nur großartig, herumzuliegen und mich ausruhen zu MÜSSEN.

Ich wusste halt, es geht nicht anders! Sonst geht mein Körper kaputt!

Ah, aber passend dazu eine kleine Anekdote von davor aus meiner Tanzausbildung:

Dort habe ich einmal einige Wochen zu viel trainiert und nicht genug ausgeruht
– und dann ist mein Knochen gerissen.

Just sayin. Ehrgeizig und hardcore wie ich mit meinen 20 Jahren war, wollte ich nicht ausruhen und der Physio sagte nur:
„Naja, dann reißt der Knochen halt langsam weiter und bricht dann vor sich hin und irgendwann durch.“
Bäh. Da kriege ich immer noch Gänsehäut, wenn ich dran denke, vor Ekel.

 

So. Um das jetzt mal wieder aufs Arbeiten und Schaffen zu übertragen.

 

Was wäre, wenn dein Geist in deiner Arbeit, in deiner Kreation, ganz genauso funktioniert wie dein Körper?

 

Wenn du Pausen und Unproduktivität BRAUCHST, um langfristig weiter voran zu kommen?

Und damit meine ich vor Allem:
Indem du deine Kräfte schonst, hast du langfristig Energie und schaffst viel aufregendere, authentischere Werke,

als wenn du für irgendein hinrissiges kurzfristiges Ziel - Wie:
„Ich muss unbedingt noch in dieser Woche drei Posts fertig machen und meine Website launchen.“
oder „Ich will unbedingt noch diese Woche mein Album fertig aufnehmen.“
dich unter Druck setzt.

(und dir dann ewig denkst: Hätte ich mir mal damals ein bisschen mehr Zeit genommen, dann hätte ich diese eine Melodie anders aufnehmen können. / Hätte ich mich nicht so gestresst, hätte ich mehr Zeit für den Ablauf investiert und wäre hinterher nicht völlig kaputt.)

 

Denn die Frage ist: Wofür?

Wofür willst du etwas schnell fertig haben?

Um dir zu beweisen, dass du es kannst? Toll. Mach.

Mach es einmal, und nimm‘ dir dann selbst den Wind aus den Segeln.


Denn du tust dir damit keinen Gefallen.
Der Körper und der Geist funktionieren nicht ununterbrochen.
Wir wachsen nicht ununterbrochen. Wir haben Zyklen, in denen wir mehr Energie haben, oder weniger.
Wie die Jahreszeiten.

Aber nur, wenn du diesen Pausen-Zeiten auch Raum gibst, auch wenn du deinen Kopf einfach mal leer sein lässt, kann er sich aufladen.

Gut Ding will nämlich Weile haben.

So alt (wie alt eigentlich?) der Spruch ist, so wahr ist er.
(Und ich werde den als Omi garantiert auch weitergeben)


Ich kenne das „Rushen“ von mir selbst auch immer wieder.
Eine nach der anderen Sachen erledigt haben wollen. Cool. Dann sind sie erledigt.
Häufig hinterfragt man dabei nicht mal, warum man wohin will, warum man wachsen will, wohin.

Und wenn dann mal nichts passiert, kriegt man Angst, dass etwas nicht in Ordnung sein könnte.

Aber meistens, wenn man sich bemüht, schnell wohin zu kommen, merkt man gar nicht,
wo man währenddessen ist.

Das heißt, je schneller du bist, je mehr du dich hetzt, desto weniger wirst du die Aussicht genießen, dort, wo du dann vielleicht auf einmal angekommen bist.

 

Was richtig gut ist, damit Dinge gut werden:

Pausen einräumen, in denen du anhältst.

Pausen, in denen du anschaust, was du schon geschafft hast.
Pausen, in denen du weinst, weil du traurig bist.
In denen du „witzige Ziegen“ bei Youtube recherchierst.
In denen du sauer bist und dich sauer sein lässt.

Pausen, in denen du ausführlich deine Füße manikürst.

In denen du Tauben beobachtest.

Pausen, in denen du Mittagschlaf hältst.

Pausen, in denen du ausschläfst.
In denen du Kaffee mit dir selbst trinken gehst, weil du eine Entscheidung getroffen hast.

Pausen, in denen du überhaupt nichts machst.

Pausen, in denen du dich hinsetzt und überlegst, wie du eigentlich wirklich leben willst, und dir Zeit dafür nimmst.
Und Pausen, in denen du lebst. Guckst. Atmest. Lebst. Einfach nur das.

 

Klingt kitschig? Ich weiß. Aber während ich das schreibe, rührt sich mein Herz,
weil Leben auf diese Weise so wunderschön ist.

Und ich wünsche mir das für so viele Menschen.

 

Und wir lernen und verlernen es immer wieder.

Deshalb mach‘ ich diesen Job.

Weil ich ein Stück davon weitergeben will.

 

Und noch ein richtig guter Satz zum Abschluss, der nicht von mir ist:

 

„Nonstop growth is called… cancer.” - Michelle Chestovic MD.

und auf Deutsch:

„Ununterbrochenes Wachstum nennt man … Krebs.” - Michelle Chestovic MD.

Viele Freude beim Herumliegen,
Liebe
Rivka

Ich mit Fjodor, den ich letztes Jahr unbedingt noch schnell trocknen wollte, nachdem ich ihn geformt habe, und deswegen in den zu heißen Backofen gestellt habe, anstatt 10 Stunden zu warten, wodurch er gerissen ist. Natürlich habe ich ihn genauso lieb, mit den Rissen. Aber hätte ich gewartet, wäre das nicht passiert.

Ich mit Fjodor, den ich letztes Jahr unbedingt noch schnell trocknen wollte, nachdem ich ihn geformt habe, und deswegen in den zu heißen Backofen gestellt habe, anstatt 10 Stunden zu warten, wodurch er gerissen ist. Natürlich habe ich ihn genauso lieb, mit den Rissen.
Aber hätte ich gewartet, wäre das nicht passiert.

Zurück
Zurück

Wir sind alle beschränkt.Und das ist okay.

Weiter
Weiter

Oh, unbändige Sehnsucht nach Freiheit